Donnerstag, 22. September 2011

Papa ante Portas

Normalerweise würde mich der Papst-Besuch in Deutschland so sehr interessieren wie der berühmte Sack Reis, der hin und wieder unbemerkt in China umfällt. Berlin ist zwar im Ausnahmezustand, aber das ficht mich nicht an. Es ist weit genug weg. Auch die Aufregung um die Bundestagssitzung und die Abgeordneten, die dem alten Theologieprofessor, ehemaligen Chef der Glaubenskongregation (für Laien: Das ist der moderne Name für die "Inquisition") und heutigen Oberhaupt einer sich gegen jede Modernisierung sperrenden Organisation (mit Ausnahme der Finanzwirtschaft, da sind die "up-to-date") nicht zuhören wollen, ist mir egal. Dem Mann soll zuhören, wer will, und wer das nicht will, soll es bleiben lassen. Meine Meinung.

Dann aber habe ich heute morgen im Radio wieder mal mitbekommen, wie diese Leute wirklich ticken, und das macht mich wütend. Mein Lieblingsradiosender "radio eins" widmete sich dem Papstbesuch und sprach dazu - Obacht! - mit einer Redakteurin der Kirchenredaktion des RBB (Der RBB, ein öffentlich rechtlicher Rundfunksender, hat eine Kirchenredaktion - das wusste ich noch gar nicht, aber egal). Der Radiomoderator war gut drauf, begann das Gespräch mit dem Satz "Der Papst kommt in die Stadt, und sofort ist der Teufel los!", und ich musste schmunzeln. Dann wurde allgemein über das Besuchsprogramm geredet. Und dann...

... dann stellte der Moderator wieder eine witzige Frage: "Der Papst wird von einem geschiedenen Bundespräsident begrüßt, spricht mit einer evangelischen Bundeskanzlerin und wird von einem schwulen Bürgermeister ins Olympiastadion begleitet - der muss sich doch vorkommen wie in 'West-Sodom und Ost-Gomorrha?'" Die Antwort - ich erinnere daran, wer die Antworten gab - entsetzte mich: "Nun ja, Wowereit wird im Olympiastadion nicht mit seinem Lebensgefährten anwesend sein, da hält sich die Provokation in Grenzen."

Es gibt für mich nur zwei Möglichkeiten: Entweder meinte die Kirchenredakteurin das ironisch - und der Rest vom Gesprächs lässt mich daran zweifeln - oder ernst, und dann finde ich es entsetzlich, wenn eine Angestellte eines öffentlich-rechtlichen Senders in Deutschland sowas sagt. Ein schwuler Bürgermeister ist eine Provokation? Geht's denn noch? Das ist Bigotterie tiefster Stufe!

Und wenn sich ein alter und vermutlich unbelehrbarer Mann, der Holocaust-Leugner und Kinderschänder als seine Gefolgsleute duldet, gegen Gleichberechtigung ist, seit neuestem für die religiöse Erleuchtung der Juden betet und jede Form der Empfängnisverhütung aus welchen Gründen auch immer ablehnt, von einem beliebten Stadtoberhaupt provoziert fühlt, dessen einzige Verfehlung darin besteht, dass Gott ihn schwul gemacht hat (jetzt bin ich mal provokativ), dann soll der Mann da bleiben, wo Berlusconi seine Partys feiert, und über den urteilen - das wäre angebrachter.

Und um so einen lebensfremden Mann wird so ein Aufstand veranstaltet...

Keine Kommentare: