Dienstag, 23. Oktober 2012

Offener Brief

Das wär ja eine Ansage...
Liebe Deutsche Bahn, liebe Odeg,

ich schreibe euch das, weil ich sauer auf euch bin. Vermutlich ist euch das egal, ihr seid so was sicherlich schon gewöhnt, und ich glaube auch nicht, dass ihr meinen Blog lest, aber trotzdem. Es geht mir auch nicht mal darum, was ihr gemacht habt bzw. was euch passiert ist, sondern darum, was ihr NICHT gemacht habt und wie ihr dadurch mich und einige andere Leute behandelt habt. Ich fand das, vorsichtig gesagt, nicht nett. Man kann das auch drastischer ausdrücken, aber ich versuche, harte Worte zu vermeiden. Vielleicht reagiere ich aber auch über, denn immerhin schien sich keiner meiner Mitreisenden darüber sonderlich zu erregen. Sollte das aber daran liegen, dass sie so etwas schon kennen, weil es öfter passiert... Nun ja.

Als ich nämlich gestern Morgen - am sehr frühen Morgen - am Bahnhof stand, weil ich mal wieder nach Potsdam wollte, kamst du, liebe Odeg, nämlich einfach nicht vorbei. Ich nehme an, dass irgendetwas passiert ist, ich weiß es aber nicht. Ich stand da und wartete auf dich, und die anderen Passagiere auch, aber nichts geschah. Du ließest dich nicht blicken, und einen Vertreter hast du auch nicht geschickt. Du hast uns einfach stehen lassen.

Und du, liebe Bahn, kannst jetzt zwar mit Recht behaupten: Was gehen mich die Triebwagen der Odeg an? Vielleicht freust du dich sogar darüber, dass ein Mitbewerber wieder einmal Probleme hatte. Aber es ist DEIN Bahnhof, es sind DEINE Anlagen, es ist vor allem DEINE Anzeigetafel, auf der ... nichts stand. Auch DEINE Lautsprecher blieben stumm. Keine Ansage, keine Anzeige, Stille... Du hast uns, wie man so schön sagt, dumm sterben lassen (ich wollte eigentlich schreiben "wie Max in der Sonne stehen gelassen", aber es war noch sehr dunkel, daher hätte dieses Gleichnis nicht gestimmt...). Und so standen wir da, auf dem Bahnhof, genauer gesagt nicht mehr als ein Bahnsteig in der Pampa, gerade mal ein kleiner Windfang, sonst gar nichts, zum Glück nur leichter Nieselregen und kein Wolkenbruch, und wussten weder was los ist noch wann und wie wir dort wegkommen würden.

Nun kannst du ja einwenden, liebe Bahn, dass wir im Zeitalter der modernen Informationsmedien leben und dass viele Leute bereits Smartphones haben, mit denen man das Internet aufsuchen und sich dort informieren kann. Da hast du zweifellos Recht. Sogar ich habe mittlerweile ein solches Gerät (und zum Glück standen wir auch an eine deiner Strecken, an denen man Empfang hat; an einigen Stellen zwischen Rathenow und Berlin sieht das schon gaaaanz anders aus...). Ich muss sogar ehrlich anerkennen, dass deine Internetseite auch am Handy sehr gut einzusehen ist. Aber damit hört das Lob schon auf. Denn wenn ich dort schauen will, ob mein Zug pünktlich fährt, muss ich die Zugnummer wissen. Das macht bei einer lange geplanten Reise mit reserviertem Sitzplatz im ICE vielleicht Sinn, nicht aber, wenn man wissen will, ob der "6:15 Uhr ab P..." pünktlich ist. Und als ich die Zugnummer dann doch heraus bekam (ich bin ja nicht doof...), sagtest du mir, liebe Bahn, auf deiner Kundeninformations-aktuelle-Verspätungen-Seite, das alles in Ordnung und der "6:15 ab P..." ganz pünktlich unterwegs ist. Da war es aber schon 6:30 Uhr...

Liebe Bahn, liebe Odeg, letztendlich habt ihr mich dazu getrieben, was ich eigentlich immer vermeiden wollte: Ich bin mit dem Auto gefahren, wenigstens bis nach Brandenburg, wo ich in meinen Zug nach Potsdam steigen wollte. Ihr seid ja nun Bahnfahrer (haha, ein Witz...), daher werdet ihr das nicht wissen, aber Autofahren nach Brandenburg ist schon ohne die nervenden Baustellen eine schwierige Angelegenheit. Baustellen gibt es aber derzeit einige, vor allem auch eine große direkt an deinem Bahnhof in Brandenburg, liebe Bahn. Und das führte nun dazu, dass ich gestern mit Wut im Bauch und Zeitdruck im Nacken nach Brandenburg hirschte, mich durch die Baustellen und die überlasteten Umleitungen wühlte und die ganze Zeit verzweifelt überlegte, wo ich denn nun eigentlich parken sollte, da es wegen der Baustelle am Bahnhof ja zurzeit keinen einzigen Parkplatz dort gibt!

Ich mache es kurz, ich fand einen Parkplatz (auf dem der Wagen am Nachmittag dann glücklicherweise immer noch stand) und schaffte auch meinen Zug. Der war übrigens deutlich voller als sonst, weil alle anderen, die wie ich auch vergeblich auf deinen Zug, liebe Odeg, warteten und irgendwann voller Verzweiflung zum Hauptbahnhof pilgerten, nun in diesen meinen Zug strömten, weil ihr erster, den sie sonst nehmen, schon weg war. Aus ihren Gesprächen heraus weiß ich, liebe Bahn und liebe Odeg, dass auch sie nichts, aber auch gar nichts über den ausgefallenen Zug erfuhren. Latrinenparolen gab es viele, Genaues wusste keiner, sicher war nur eines: Der Zug fuhr nicht, und ihr habt es weder geschafft, Ersatz zu besorgen noch irgendeine Information darüber an die Leute zu bringen.

Liebe Bahn, angesichts dieser peinlichen Aktion amüsiert mich dann schon wieder beinahe das Durcheinander, dass du dann bei meiner Heimreise aus Potsdam angerichtet hast. Das entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Wie du ganz sicher weißt (du bist ja die Bahn), gibt es eine Verbindung von Potsdam nach Brandenburg, bei der man in Werder umsteigen muss. Und auch ohne den Bahnhof genau zu kennen, erscheint es logisch, dass man, wenn man auf Bahnsteig 4 ankommt und auf Bahnsteig 1 weiter fährt, einmal quer durch diesen Bahnhof muss. Nun, wenn die Züge pünktlich fahren, bleiben einem zum Umsteigen drei Minuten, und soooo klein ist Werder nun auch nicht. Anders ausgedrückt: Eine ganze Masse Leute wälzt sich dann nicht eben im Spaziertempo über den Bahnhof und durch einen selbst für meine Begriffe engen Tunnel.

Und in diesen Tunnel, liebe Bahn, hast du derzeit wegen Bauarbeiten eine Schleuse eingebaut, durch die gerade mal zwei Leute nebeneinander laufen können, obwohl man meiner Meinung nach wenigstens drei Schleusen hätte hinstellen können... Ich glaube, ich brauche dir das Gedränge - zumal es auch Gegenverkehr gab - nicht weiter zu beschreiben, oder?

Liebe Bahn und liebe Odeg, ich habe im Allgemeinen eine hohe Meinung von euch. Verspätungen passieren, Züge können ausfallen (übrigens, liebe Odeg: hast du das Problem mit dem einfrierenden Diesel in deinen Triebwagen lösen können oder müssen wir im Winter bei Frost wieder mit Ausfällen rechnen? Ich frag nur so...), niemand ist perfekt. Was ich euch aber übel nehme, ist die Tatsache, dass ihr eure Reisenden, eure Kunden, so missachtet und sie einfach stehen lasst. Das ist eines Global Players doch unwürdig, oder?

4 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

ich muss dich loben, erik...du schreibst nach so einem disaster so sachlich und, wie ich finde, nett... oder liegt es daran, dass du schon eine nacht darüber geschlafen hast?
ich selber bin das letzte mal vor 20 jahren mit der bahn unterwegs gewesen - privat. aber die pendler die das tagtäglich mitmachen, durch die bahnhofshallen wetzen, frieren/schwitzen und stoisch sind, ahben meinen größten repsekt.
schick den link des posts doch mal an die bahn...test it.

Anonym hat gesagt…

Hallo Erik,
für deine Ruhe und deinen Humor hier nach solch einem Stress muss ich echt meinen Hut ziehen, der mir nach solch einer Aktion hochgegangen wäre.

Liebe Grüße, Lill

Mea hat gesagt…

Toll geschrieben... ich glaub, mein Bericht wäre weniger sachlich und humorvoll ausgefallen. Ich wünsche dir, dass es so schnell keine Ausfälle mehr gibt...

Liebe Grüße
Die Mea

drago hat gesagt…

die anzeige ist ja mal ne tolle empfehlung für die bahn: "Wir sind ein Ausfall - sie sollten laufen!"
gefällt mir, erik !