Donnerstag, 4. Oktober 2012

Musik, die mich umhaut (3) - George Harrison und Richard Wright

Ich habe ein Faible für Musiker, die in ihren Bands optisch und vom Ruhm her die zweite Geige spielen, ohne deren Wirken die ganze Gruppe aber lange nicht so gut ist. Das hängt sicher damit zusammen, dass ich ganz gut nachvollziehen kann, wie es ist, von starken und egoistischen Charakteren untergebuttert und überstrahlt zu werden, ohne dass es dabei um Qualität geht.

Von daher liegen mir die beiden Musiker besonders am Herzen, denen ich diesen Post widme. Auf den ersten Blick scheinen sie abgesehen von der Tatsache, dass sie in zwei der berühmtesten und besten Bands aller Zeiten mitspielten, nicht viel gemeinsam zu haben. Doch das stimmt nicht. Beide standen sie unabhängig von ihrem Können im Schatten ihrer expressiveren Bandkollegen, beide trugen sie mit ihrem Können unglaublich viel zum Erfolg der Band bei, ohne dass das besonders auffiel, und beide erfuhren die größte Anerkennung erst nach ihrem - in beiden Fällen viel zu frühen - Ableben. Wieviel sie gemeinsam hatten, zeigt sich an der makabren Tatsache, dass die beiden in mehreren Nachrufen miteinander verglichen wurden - George Harrison von den "Beatles" und Richard Wright von "Pink Floyd".

George Harrison galt als der "stille Beatle"; er war der jüngste in der Band, und wenn McCartney, Lennon und Starr übereinander - ob im Ernst oder im Scherz - herzogen, stand er in meinen Augen immer etwas daneben. Dank seiner Vorliebe für exotische Instrumente brachte Harrison jedoch einen Sound in die "Beatles" ohne den deren Musik um so vieles ärmer gewesen wäre. Richard Wright wiederum war bei Pink Floyd der Mann für die feinen Töne. Wenn Gilmour und Waters sich gegenseitig mit krachenden Kompositionen und ausgefeilten Texten überboten und einander auszustechen versuchten und Mason seine Soundcollagen austüftelte, suchte sich Wright die Freiräume in den Kompositionen und füllte sie mit seinen filigranen, beinahe schon ätherischen Melodien, die die Klasse so vieler Stücke der Bombast-Band ausmachte. Nicht umsonst wurde er einmal als "die Seele des Monster (d.h. Pink Floyd)" bezeichnet.

Einen wesentlichen Unterschied gab es zwischen den beiden aber doch. Während Harrison es verstand,  trotz seiner Zurückhaltung seinen Platz bei den "Beatles" zu wahren und nach deren nicht ganz einvernehmlichen Trennung auch als Solo-Künstler Erfolge hatte, ging der schüchterne Wright im Macho-Machtkampf zwischen Gilmour und Waters unter und musste letztlich über die Klinge springen. Wie wenig seine wahre Bedeutung für "Pink Floyd" bekannt war, zeigte sich 2005 beim Live-8-Konzert, als die Band noch einmal in der kompletten Besetzung für einen guten Zweck spielte und die Regie für die Fernsehaufnahmen den Keyboarder Wright noch seltener und kürzer zeigte als den Schlagzeuger Mason - man hielt ihn einfach für einen eingekauften Gastmusiker...

2008 starb Richard Wright an Krebs. Kurz vor seinem Tod sagte sein Kumpel David Gilmour über ihn: "Richard Wrights Rolle bei Pink Floyd wurde von der Öffentlichkeit deutlich unterschätzt." Da wusste Gilmour schon, dass sein Freund im Sterben lag - es war sozusagen der erste Nachruf von vielen. Mehrfach wurde Wright dabei - ich erwähnte es bereits - mit Harrison verglichen. Alexander Gorkow schrieb in der Süddeutschen Zeitung: "Richard Wright ... war, was George Harrison bei den Beatles war: nicht Kopf, nicht Hüfte, aber die Seele dieses Monsters." In die gleiche Kerbe schlug Michael Loesl in der Welt wie auch viele andere - selbst Alan Parson, der sowohl die Beatles als auch Pink Floyd als Tontechniker in den legendären Abbey-Road-Studios erlebte, sah zwischen beiden Gemeinsamkeiten. Auch Harrisons Tod 2001 schockierte Freund und Fans. Sein Beatles-Kollege Ringo Starr, die Ulknudel der Band, konnte in einem Fernsehinterview selbst danach die Tränen nicht mehr zurück halten, was mich sehr bewegte.

George Harrison war nach der Trennung der Beatles der erste und zunächst auch erfolgreichste in seiner Solo-Karriere. Das wird schnell vergessen, weil Rampensäue - das ist nicht negativ gemeint - wie Lennon oder McCartney ihm die Show stahlen. Dass sie irgendwie trotz allem Freunde blieben, zeigte Harrison 1988 mit seiner Single "When We Was Fab". Musikalisch und noch mehr im Video erinnert er sich an seine Zeit mit den Beatles, ein wehmütiger, aber auch ironischer Rückblick. Ich bedauere, das Video hier nicht direkt verlinken zu können, aber bei Youtube ist es leider für Deutschland nicht freigegeben. Leider ist die Qualität auch nicht so berauschend, aber ich denke, man kann erkennen, dass Ringo Starr eine prominente Rolle im Video spielt. Ich finde es ist ein sehr schönes Lied von George Harrison - nicht sein größter Erfolg, nicht die umwerfendste Komposition, aber wenn man weiß, was er meint, rührt es einen doch an.... Das Video gibt es hier.

Und Richard Wright... Nun, es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass er im Machtkampf zwischen David Gilmour und Roger Waters um "Pink Floyd" das Opfer wurde und aus der Band flog, "Pink Floyd" aber wirklich erst endete, als er starb. Gilmour wird sicher noch hier und da die alten Songs spielen, auch Waters wird das tun - aber egal in welcher Besetzung wird es kein "Pink Floyd" mehr auf der Bühne geben. Späte, zu späte Anerkennung für einen Künstler, der weder die meisten noch die erfolgreichsten, aber für mich mit Abstand die schönsten Kompositionen von "Pink Floyd" geschaffen hat. Mein Lieblingslied - passend für unendlich traurige Stunden und melancholische Momente - ist "Us and Them" aus dem Album "Dark Side of the Moon", für mich das beste Album der Rockgeschichte überhaupt.. "Us and Them" bewegt mich immer zutiefst. Der Text ist von Roger Waters, die Musik von Richard Wright - so klassisch schön kann Rock-Musik sein.


1 Kommentar:

RoM hat gesagt…

Für die Legenden bildende Zeit der Beatles war ich zu jung, bekam die musikalische Seite aber via Tonträger meiner Eltern doch mit. Fan wurde ich nie, aber einige markante Songs blieben auch mir im musischen Gedächnis. Als ich diverse Einblicke in die Bandgeschichte gewann, war auch mir George Harrison der angenehmste der ehemaligen Pilzköpfe. Es drängte ihn nie in den Mittelpunkt, zumal er die Musik, die er spielte, für das Eigentliche hielt.
Die - immerhin - breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit von der Erde ins All aus.