Dienstag, 21. Februar 2012

Austauschbare Argumente

Das entbehrt nun wirklich nicht einer gewissen Ironie. Seit längerer Zeit wird in einem Ort in unserem Landkreis, in Wustermark, heftigst um den Neubau eines Gaskraftwerkes gestritten. Zugegebenermaßen ein gewaltiges Gaskraftwerk, aber irgendwoher muss unser Strom ja kommen, oder? Jedenfalls meuterte die Bevölkerung und fuhr schwere Geschütze gegen das Projekt auf. Kann ja nicht sein, dass so ein Gaskraftwerk einfach mal eben so in ein Industriegebiet gebaut wird, wenn in der Nähe Leute wohnen. Zu den Hauptargumenten gegen das Kraftwerk gehörten unter anderem: "Zu groß... zu dicht an Wohnhäusern... passt nicht in die Gegend... nicht wirtschaftlich... Standort völlig ungeeignet, sollte dahin, wo Strom gebraucht wird..."

Heute nun lese ich in der Zeitung einen Artikel, der genau, teilweise wörtlich genau (!), diese Argumente wieder aufgreift, die sich eine Bürgerinitiative auf die Fahnen geschrieben hat. Nur: Dieses Mal geht es nicht um das Gaskraftwerk - das mittlerweile in einem ziemlich peinlichen Akt von der Gemeinde abgelehnt wurde - , sondern um Windkraftanlagen, die etwa zehn Kilometer entfernt entstehen sollten!

Also das muss man sich einmal vor Augen führen: Auf der einen Seite ein Gaskraftwerk, das immerhin wegen der Verbrennung fossiler Brennstoffe nicht ganz unkritisch zu betrachten ist, auf der anderen Seite Windkraftanlagen, die als Umstieg auf regenerative und damit umweltschonende Energieerzeugung forciert werden - und beides wird mit exakt den gleichen Argumenten abgelehnt! Das finde ich schon dreist.

Natürlich steckt dahinter in erster Linie ein egoistisches Anspruchsdenken; niemand will gerne solche Anlagen vor dem Fenster haben, wofür ich ja auch Verständnis habe. Andererseits will aber auch niemand den Stecker vergeblich in die Steckdose stecken. Waschmaschine, Elektroherd, Kühlschrank und Kaffeemaschine sollen ja ebenso laufen wie Radio, Computer oder Fernseher (den meisten sind letztere vermutlich sogar wichtiger; immerhin kann man sich sein Essen ja im Restaurant und den Kaffee bei Starbucks holen - und wofür gibt's bitte schön Waschsalons?).

Wir brauchen Strom, daher verstehe ich beim besten Willen nicht, wie immer mehr Menschen lautstark die Meinung krakeelen:  "Aber nicht bei uns!" Mit dieser Sankt-Florians-Mentalität kann ich wirklich nichts anfangen! Na klar, wir könnten vermutlich Strom von unseren europäischen Nachbarn importieren, zum Beispiel von den Franzosen mit ihren 58 (!) Atomkraftwerken, oder von den Polen, die auch welche bauen wollen, oder von den Tschechen, die Kohle verfeuern und damit jede Menge Dreck in die Luft pusten. Das ist ja dann nicht so schlimm, das passiert ja in einem anderen Land, das interessiert uns ja nicht, das ist ein PAL (Problem anderer Leute)... So kurz scheint der bundesdeutsche Kleinbürger des Jahres 2012 tatsächlich zu denken.

Aber so ist das heutzutage: Egoismus in jedweder Form macht sich immer breiter, das Anspruchsdenken wächst. Wie austauschbar die Argumente da mittlerweile geworden sind - und sich damit selber ad absurdum führen - zeigt ja nun wirklich gerade das angeführte Beispiel: Wie man die gleichen Begründungen heranziehen kann, um Gaskraftwerke (oder auch Kohle) einerseits und Windkraftanlagen andererseits ablehnen kann. Auf so eine Unverfrorenheit muss man erst einmal kommen...

1 Kommentar:

Steve Wagner hat gesagt…

Das interessante ist ja das Gas-Kraftwerke sogar die Effizienteste und damit Sauberste Art der Fossilen Energiegewinnung sind. Nen Kohle Kraftwerk wäre also viel schlimmer.