Das ist so ein schöner Schlagsatz: Das Internet vergisst nicht. Und noch mehr: Viele Menschen glauben alles, was im Internet steht. Das kenne ich eigentlich von Zeitungslesern im Osten: Die denken oft auch, dass alles stimmt und richtig ist, wenn es nur in der Zeitung steht. Aber im Internet ist es auch so, und was daran besonders ist: Es spielt auch keine Rolle, wie alt oder hanebüchen mancher Mist ist, den man dort findet - es gibt immer jemanden, der ihn für bare Münze hält.
Letztens zum Beispiel bekomme ich von einem Freund eine Mail mit einer PDF-Datei namens "Müller Milch". Der eine oder andere kennt die sicherlich schon, aber mir war sie neu. In dieser Datei wird im Stile der "Sendung mit der Maus" die Wahrheit über Herrn Müller, den Chef von Müller-Milch, kundgetan. Also was für ein schlimmer Finger er ist und so, weil er zum Beispiel EU-Subventionen zum Abbau von Arbeitsplätzen nutzt und daran verdient, Gen-Milch verkauft, aus Steuergründen nach Österreich abhauen will und anderes mehr ("Klingt komisch, ist aber so!"). Am Ende heißt es noch, dass Herr Müller so ein böser Mensch ist, dass man es ihm zeigen und nichts mehr von ihm kaufen sollte, denn er bescheißt auch noch bei den Verpackungsgrößen. Und damit man ihn ja auch richtig treffen kann, gibt es noch den Hinweis, dass ihm auch "Weihenstephan" gehört.
Nun würdige ich solchen Mist normalerweise kaum eines Blickes. Aber eine Behauptung interessierte mich dann doch: Da hieß es nämlich auch, dass Herr Müller die NPD finanziell unterstützt. So was überprüfe ich gerne, gerade weil es um die NPD geht. Ab diesem Moment wurde es richtig interessant: Es hat mich nämlich lediglich zehn Minuten oberflächlicher Internet-Recherche gekostet, um herauszufinden, dass anscheinend kaum ein Behauptung in der Datei stimmt!
Zunächst einmal hat mich überrascht, dass die Datei mindestens acht Jahre alt ist. Schon 2005 wurde sie von Experten als Hoax enttarnt. Das hinderte viele Idioten nicht, die Sachen in der Art eines Kettenbriefes immer weiter und weiter zu verschicken und dabei auch noch auszubauen. Überprüft wurde der Inhalt offenbar von den wenigsten, denn sonst hätten sie vielleicht mitbekommen, dass der aus Steuergründen geplante Umzug von Herrn Müller eigentlich uns Deutsche kalt lassen könnte - immerhin lebt er in der Schweiz... Und auch der Subventionsbetrug stellt sich schnell doch ein wenig anders da als beschrieben (wie im Einzelnen, würde hier zu weit führen).
Wirklich lustig ist aber die Behauptung, Theo Müller würde die NPD unterstützen. Diese Behauptung ist ausgemachter Quatsch. Das sagt übrigens nicht nur Theo Müller selber, sondern auch diverse antifaschistische Blogs und Seiten! Und da ich weiß, wie gerne die ihre "Feindbilder" in die rechte Ecke rücken, wiegt diese Entlastung um so schwerer (wirklich leiden können sie ihn trotzdem nicht, heißt es auf einer Seite, aber NPD-Unterstützer ist er nun mal eben doch nicht). Übrigens heißt es an einer Stelle in der Müller-Milch-Datei, dass "Schmarotzer" wie Herr Müller nur deshalb nicht "an den nächsten Baum gehängt werden", weil man "so etwas einfach nicht tut". Das ist ein wörtliches Zitat von der sachsen-anhaltischen NPD-Internetseite! Finde ich interessant: Ihn einen NPD-Anhänger nennen und dann NPD-Propaganda gegen ihn zu verwenden.
Nun ist Herr Müller ein Großunternehmer, was bedeutet, er handelt nicht aus reiner Menschenliebe, sondern er will Geld verdienen. Damit steht er nicht allein, und viele aus diesen Etagen sind sicherlich keine netten Menschen. Aber wenn man über diese Leute etwas in die Welt setzen will, dann bitte die Wahrheit und nicht irgendwelchen zusammengeklauten und -gelogenen Blödsinn. Und vor allem sollte man einmal genau überlegen, wen man mit Boykott-Aufrufen wirklich trifft: Den Unternehmer mit Millionen auf dem Konto oder den Arbeiter, den man wegen mangelnden Umsatzes entlässt?
Aber so ist das eben mit dem Internet: Es vergisst nicht, und je größer der Mist ist, umso hartnäckiger hält er sich im Netz. Also glaubt nicht immer alles kritiklos, nur weil es aus dem Internet kommt.
1 Kommentar:
Für manche ist die Pflege des Feindbildes eben wie ein Hobby. Soweit ich mich recht an die damalige Presse über den Milch-Magnat erinnere, hat er die Republikaner zu deren Hochzeit finanziell bedacht. Weiters soll er einmal angedeutet haben, den Sitz seiner Firma auch ins Ausland verlegen zu können.
Konzerne fürchten einen Boykott weit weniger als den Imageverlust.
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