Mein morgendlicher Blick durch die Schlagzeilen ließ mich auch auf eine Meldung stoßen, nach der die Dienstleistungs-Gewerkschaft verdi mit unbefristetem Streik droht, wenn ihren Forderungen nicht nachgekommen wird. Das betrifft mich natürlich auch. Ich arbeite ja im öffentlichen Dienst. Und ob die Forderung von verdi nach 6,5 Prozent mehr Gehalt berechtigt ist oder nicht, werde ich hier nicht erörtern. Die Crux an der Geschichte ist ja, dass keine Arbeitnehmergruppe ihre Wünsche nach Lohnsteigerungen so sehr erklären und rechtfertigen muss wie der öffentliche Dienst. Zumal es ja immer gerne heißt: Dem Krankenhauspersonal oder den Müllwerkern würden wir es ja gönnen, aber die Lehrer oder die Angestellten in den Verwaltungen, die sollen erst mal richtig arbeiten. Und wofür brauchen wir die letzteren überhaupt? So sprechen Leute, die von unserer Arbeit keine wirkliche Ahnung haben.
Interessant an der Meldung fand ich aber einen anderen Passus. Die Arbeitgeberseite kritisierte die Ankündigung von unbefristeten Streiks mit den Worten: "Die Streiks richten sich wieder gegen die Bürgerinnen und Bürger." Das ist natürlich ein Totschlagargument, dessen Folgerungen mir aber nicht ganz klar sind: Heißt das, der öffentliche Dienst soll (oder gar darf) nicht streiken, weil davon eben das öffentliche Leben betroffen ist?
Das Streikrecht ist im Grundgesetz verankert. Soll heißen, Arbeitnehmer dürfen zur Durchsetzung ihrer Ziele streiken, sofern der Streik von einer Gewerkschaft organisiert wurde und noch einige andere Voraussetzungen erfüllt. Das gilt für alle Arbeitnehmer, nur nicht für Beamte. Und der Sinn eines Streiks ist natürlich auch klar: Die Arbeitsniederlegung soll den Arbeitgeber in der Regel wirtschaftlich treffen, sodass er auf die Forderungen eingeht. In der letzten Zeit holen die Arbeitgeber aber gerne mal die moralische Keule raus, in dem sie sagen, der Streik ist nicht in Ordnung, weil er in erster Linie nicht den Arbeitgeber, sondern die Bürger trifft! So geschehen letztens bei den Streiks der Lokführer und nun wieder beim öffentlichen Dienst.
Da sage ich doch: Ja und? Für mich ist das kein Grund der Gewerkschaft, einen Streik abzusagen, sondern eher ein Anlass für die Arbeitgeber, ihr Angebot noch einmal zu überdenken! Da gehören meiner Meinung nach immer zwei Seiten dazu: Auch die Arbeitgeber sollten an die Bürger denken. Man kann das eben auch umdrehen, indem man sagt: Hätten die Arbeitgeberseite ein ansprechendes Angebot gemacht, bräuchten wir nicht streiken. Natürlich ist das eine starke Waffe für verdi: Ein Ausstand hat Folgen, die deutlich mehr Menschen spüren, als wenn zum Beispiel ein Automobilzulieferer bestreikt wird. Macht das den Streik deshalb unmoralisch? Nein, im Gegenteil: Es ist ein starkes Argument dafür, einen Streik zu vermeiden, und das geht nur am Verhandlungstisch.
Allerdings, das gebe ich auch zu, verstehe ich auch die Haltung der Arbeitgeber. 3,3 Prozent mehr ist schon einiges, und seit ich ein wenig Einblick in die öffentlichen Haushalte habe, weiß ich auch, wie dick der Brocken ist, den viele Kommunen allein schon daran zu schlucken haben. Der Bund mag ja in Geld schwimmen und mal eben so einige Milliarden nach Griechenland pumpen können, und auch den Ländern geht's noch nicht sooooo schlecht, wie sie immer sagen. Aber unten an der Basis, da sieht's anders aus. Und die Zahl der Kommunen, die kaum die dringendsten Aufgaben erledigen können, die wächst.
Insofern hat so ein Arbeitskampf immer zwei Seiten. Aber das ist kein Grund, einen Streik als falsch zu deklarieren, in dem man sagt, seine Folgen treffen die Falschen. Da stellt sich nämlich die Frage: Was sollen die Angestellten im öffentlichen Dienst denn sonst machen? Jeden Tag auf Arbeit aus Protest rote T-Shirts tragen? Alle Bürger mit "DU" statt mit "Sie" anreden? Den Chef auf dem Flur nicht mehr grüßen? Das hat natürlich keine Auswirkungen auf die Bürger - aber ihren Forderungen gibt das kaum Nachdruck...
1 Kommentar:
Die Nasen, die sich über Angestellte im öffentlichen Dienst echauffieren, sind zumeist die selben, die sich bitterbös beschweren sobald ihr behördliches Ansinnen nicht sofort bearbeitet vorliegt.
Ein wenig schnell war verdi mit den Warnstreiks ja schon. Fast hätte man den Verdacht haben können, daß die Verantwortlichen den Streiks bei FraPort nicht nachstehen wollten :-)
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