Dienstag, 24. Januar 2012

Zum Schmunzeln: Bespitzelte Spitzel

Manche Nachrichten und Medienberichte bringen mich ja zum Grinsen. So zum Beispiel diese: Der Verfassungsschutz hat 27 Bundestagsabgeordnete der Linkspartei unter Beobachtung (wobei Beobachtung in diesem Fall bedeutet, dass aus öffentlich zugänglichen Quellen Fallakten angefertigt werden). Darob erhob sich wütender Protest bei der Linken, bis hin zur Forderung nach der Abschaffung des Verfassungsschutzes. Gysi, Pau, Wagenknecht, Lötzsch und wie sie alle heißen äußerten sich empört und noch vieles mehr.

Darüber muss ich sehr schmunzeln.

Die Linke entstand ja 2007 aus dem Zusammenschluss von WASG und Linkspartei.PDS. Letztere hieß bis 2005 nur PDS und davor - das scheinen viele immer wieder zu vergessen - SED (bis 1990). Die Linke versteht sich selbst als Rechtsnachfolgerin der SED. Und die hatte ja überhaupt nichts dagegen, das eigene Volk zu bespitzeln. Dafür wurde auch eine Organisation geschaffen, die sich Ministerium für Staatssicherheit oder kurz Stasi nannte. Die verstand sich als "Schild und Schwert der Partei" - also der SED. Und deren Nachfolger sind heute sauer, dass sie nun selbst im Fokus stehen? Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Man könnte es auch umgekehrt ausdrücken: Der jetzige Aufschrei der Linken kommt mir vor wie der alte Ruf des Diebes: "Haltet den Dieb!"

Wobei der Vergleich in mehrere Hinsicht natürlich hinkt: Natürlich haben eine ganze Menge der Linkspartei-Mitglieder - zum Beispiel die Masse derjenigen mit WASG-Vergangenheit, aber auch viele Linke mit DDR-Vergangenheit - nichts mit der SED oder der Stasi am Hut. Dann besteht ein großer Unterschied ja auch darin, dass der Verfassungsschutz heute auf Anfrage offiziell sagen muss: "Ja, wir beobachten die oder die" und man sich dann ebenso offiziell und und ohne Furcht dagegen erregen kann, was bei der Stasi nicht der Fall war - zugegeben hat die nie was, und wer was gegen die sagte, musste mit einigem rechnen. Und zuletzt war die Stasi deutlich perfider als der Verfassungsschutz. So unterhält ja der Verfassungsschutz einige hundert V-Leute, was allerdings nichts im Vergleich mit der Stasi ist, die in guten Zeiten circa 250.000 inoffizielle und gesellschaftliche Mitarbeiter hatte. Sicher, viele von denen haben auch nichts gemacht, aber andere waren sich nicht zu schade, über Nachbarn, Bekannte, Freunde und sogar Verwandte wirklich jeden Dreck bis hin zu intimsten Details zu petzen.

Es gibt nicht wenige von denen, die es heute zu etwas gebracht haben.

Im Brandenburger Landtag haben wir zum Beispiel einige überführte IM - alle in der Linkspartei übrigens. Kritik oder Rücktrittsforderungen perlen an denen ab, im Gegenteil: die klopfen sich gegenseitig auf die Schultern nach dem Motto: "Wir gehen offen mit dieser Vergangenheit um, indem wir sagen: Ja, wir waren es!" - und fertig. Oder anderes Beispiel: Der Ex-Bürgermeister der Gemeinde, in der ich lebe, war auch IM, der recht spät enttarnt wurde; bis dahin hatte er sich recht geschickt um die Sache gedrückt. Dann kam aber raus, dass er noch bis Ende Oktober 1989 regelmäßig berichtete. Und hier reden wir von den richtig miesen Sachen, also wer wann wo mit wem im Bett war oder wer wo zu wem was Wahres - und damit Kritisches - über die Poltik und Wirtschaft der DDR sagte.

Und das sind diejenigen, die heutzutage Glückwunschtelegramme an Fidel Castro für die erfolgreiche Umsetzung des Sozialismus in Kuba schicken (gleichbedeutend mit Unterdrückung von Regimekritikern), mit Nahost-Landkarten ohne den Staat Israel posieren, die DDR als guten Versuch auf dem Weg zum Kommunismus preisen, den man mal wiederholen müsste, und die sich nun gegen Beobachtung durch den Verfassungsschutz verwahren.

Nur noch eines zur Klarstellung: Man kann es sicherlich mit der Stasi-Überprüfung auch übertreiben. Ein mir bekannter Bürgermeister sagte neulich zu mir: "Ich bin jetzt fünf mal überprüft worden, ohne dass was herausgekommen ist - so langsam mache ich mich verdächtig." Ich denke auch, dass man jeden Fall separat behandeln und bewerten muss (Es gibt IM, die sich zwar schriftlich verpflichtet, aber nie einen Bericht abgegeben haben, oder diejenigen, die ihren Grundwehrdienst beim Wachregiment Feliks Dzierzynski ableisten mussten (!) und daher heute noch bei der Jahn-Behörde - deren Chef auch so ein moderner Torquemada ist - als Mitarbeiter der Stasi enttarnt werden, obwohl die nie etwas unterschrieben oder gar abgeliefert haben).

Aber wenn ich so darüber nachdenke, dass die Leute, die einer Organisation angehören, deren direkter Vorgänger vor 25 selbst gerne alles über ihre Mitmenschen wissen wollte, nun darüber sauer sind, dass eine staatliche Organisation Fakten über sie sammelt, die eine gut funktionierende Zeitungsredaktion auch - und oft sogar besser - besitzt, dann kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Und dieses Grinsen wird sogar noch größer, wenn ich die Rechtfertigungsversuche vom Bundesinnenminister höre...

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