Montag, 19. November 2012

Traue wirklich niemandem...

In der vergangenen Woche hatte ich ein sehr erschütterndes Erlebnis. Das klingt für euch vermutlich übertrieben und so, aber mich hat es wirklich tief getroffen. Dabei war ich sogar nur indirekt involviert, aber da ich sowohl Vorgeschichte, aktuelles Geschehen und Folgen recht genau kenne sowie mit einigen der handelnden Personen persönlich sehr gut bekannt bin, hat mich das Ereignis sehr mitgenommen. Seitdem ist mein Glaube an Integrität und Ethos der Journaille zutiefst erschüttert. Und ehe jetzt der kluge Satz kommt: "Was wundert dich daran?", bitte erst mal zu Ende zu lesen. Die Sache ist viel schlimmer, als mancher denken mag.

Die Details tun eigentlich nichts zur Sache, es geht auch gar nicht darum, wer jetzt in diesem Einzelfall Recht hat und wer nicht, wer richtig gehandelt hat und falsch. Ich sage mal so viel: Die Behörde, für die ich arbeite, geht gegen einen Unternehmer vor, der wehrt sich. Soweit, so gut, bis jetzt ist da auch noch nichts Schlimmes daran. Besagter Unternehmer geht in die Öffentlichkeit und macht Stimmung gegen uns. Auch noch nicht schlimm, das ist sein Recht. Die Medien schlagen sich auf seine Seite und kritisieren uns für unsere für den Unternehmer fatale Entscheidung. Okay, das ist zwar bitter und verletzend für uns, aber durchaus auch noch hinzunehmen. Aber nun kommt es:

Die Sache wurde auch von einem Fernsehsender aufgegriffen, der sich unter anderem zu einem Interview bei uns anmeldete. Der Termin fand statt, obwohl wir nur wenig Hoffnung auf eine faire Behandlung hatten. Nicht nur, dass die Anfrage nach dem Interview mit dem eigentlich schon nötigenden Satz: "Wenn Sie nicht mit uns sprechen, wird es nur schlimmer für Sie" verbunden wurde, nein, wir merkten auch schon im Vorgespräch, dass die Geschichte des Fernsehjournalisten schon fertig in seinem Kopf war und er von uns nur noch ein paar Originaltöne haben wollte, die in seine Geschichte passten. Und diese Geschichte lautete aus seiner Sicht: Böse Nachbarn wollen das Unternehmen verhindern und bedienen sich dazu des Amtes, das gegen den Unternehmer aufgehetzt wird und sich nur zu gerne instrumentalisieren lässt.

Das Problem für den Journalisten bestand darin, dass wir ihm das nicht geliefert haben. Statt dessen - und damit erledigte sich seine Argumentationskette zum größten Teil - erklärten wir ihm zwei Mal sehr geduldig, einmal hinter der Kamera und einmal davor, dass der Rechtsstreit mit dem Unternehmer nichts mit den Nachbarn zu tun hat, sondern auf anderen Verstößen als einem Nachbarschaftsstreit um Lärm und Staub beruht. Wir zeigten ihm sogar ausführlich mehrere Gerichtsentscheidungen, die unseren Standpunkt stützten und in denen sich das Gericht auch auf alles mögliche stützte, nur nicht auf den Nachbarschaftsstreit, den der Journalist so gerne in den Mittelpunkt schieben wollte.

All das passte dem Journalisten also nicht in seine bereits fertige Story. Infolgedessen hat er in dem fertigen Bericht alles, was ihm nicht passte und was seine vorgefertigte Meinung "Guter Unternehmer - böse Nachbarn - intrigante und miese Behörde" nicht stützte, herausgelassen. Gerichtsentscheidung - kein Wort! Die wahren Gründe des Rechtsstreits - verschwiegen. Von einem halbstündigen Interview mit uns blieben zwei (!) Sätze, von denen keiner seine Theorie stützt, in die man aber entsprechend geschnitten durchaus etwas hinein interpretieren kann. Man kann das auch Tatsachen verschleiern, Fakten verschweigen und manipulieren nennen. Wie man eine solche Gerichtsentscheidung wertet, steht auf einem anderen Blatt - aber sie gar nicht erst zu nennen, weil sie nicht ins selbst gefertigte Bild passt? Mit wahrheitsgemäßer Berichterstattung hat es wenig zu tun, wenn wichtige Hintergründe und Tatsachen verschwiegen werden, obwohl sie nachweislich genannt wurden, oder?

Und wenn ihr jetzt immer noch sagt: "Na und? Was regst du dich auf, so sind die Boulevardsender eben!" - es war eben kein Boulevardsender! Kein VOX, SAT 1, PRO 7 oder gar RTL 2! Es war der RBB, ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender! Darüber komme ich einfach nicht weg! Ein gebührenfinanzierter Sender manipuliert Fakten!

"Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hat in seinen Sendungen einen objektiven und umfassenden Überblick ... zu geben. ... Alle Beiträge für Informationssendungen ... sind gewissenhaft zu recherchieren; sie müssen wahrheitsgetreu und sachlich sein. ... Die Redakteure und Redakteurinnen sind ... zur Objektivität und Überparteilichkeit verpflichtet." Das stammt nicht von mir, sondern steht so im "Gesetz zum Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg". Wahrheitsgetreu... Sachlich... Objektiv... Umfassend... Gehört da auch das Verschweigen von in der Sache wichtigen Gerichtsentscheidungen dazu? Ich denke nicht.

Und nun frage ich mich: Wenn selbst ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender - und ich halte, da stehe ich sicherlich ein wenig allein da, die Idee eines solchen gebührenfinanzierten Rundfunks eben aufgrund der dahinter stehenden Vorstellung von Unabhängigkeit gegenüber potenziellen Geldgebern, Politikern und anderen Einflussnehmern für sehr gut - wenn also selbst ein solcher Sender Fakten verschweigt, verdreht und manipuliert, um eine vorgefertigte Meinung zu bedienen, wenn er eben nicht wahrheitsgemäß, umfassend und objektiv, sondern zutiefst subjektiv berichtet - können wir dann überhaupt noch irgendwelchen Nachrichten in irgendeinem Medium trauen?

Was ist ein Sender, ein Medium, ein Journalist, der eigentlich der Wahrheit verpflichtet sein soll, noch wert, wenn er wider besseren Wissens nicht alles das weitergibt, was er weiß, nur weil er es so will? Nichts... Nur weiß das eben kaum einer der Zuschauer - der denkt, er sieht die Wahrheit.

Ein gefährlicher Irrtum.

4 Kommentare:

Joachim Buck hat gesagt…

Dass die Medien als *vierte Gewalt* mittlerweile lieber mit dem Strom schwimmen. anstatt für objektive Aufklärung zu sorgen, entlockt mir nicht mal mehr ein gähnen.

Denn auch für den Systemjournalismus gilt, dass Objektivität, Gewissenhaftigkeit, Wahrheitstreue usw. dort endet, wo die Machtgelüste und die Gier beginnt.

LG. Joachim

RoM hat gesagt…

Auch die Öffentlich Gerechten pflegen ihre Allüren. Vetternwirtschaft, Küngelei, Betrug sind ruchbar geworden. Reserche vor Ort gilt manchen Jung-Journalisten als hinderlich, weil aufwendig. Leichter klöppelt man/frau sich eine Story zusammen und verläßt das Haus lediglich für ein paar O-Töne. Neue Fakten?! Nö! Mein Beitrag muß nur noch geschnitten werden!

Persönlich ziehe ich meine Infos seit langem nur noch aus bestimmten Sendern im alten Radio. Wort-Sender.

Anonym hat gesagt…

Hallo Erik,
mir zeigt es wieder einmal auf, dass ich gute Gründe habe inzwischen sehr viele Medien zu meiden und nicht alles zu glauben, was erzählt wird. In einer Gesellschaft, wo es nur noch um Geld und Macht geht und jeder seinen Arsch perfekt an die Wand bekommen möchte, wundert mich so etwas leider tatsächlich nicht mehr. Auch viele Journalisten denken oft nur noch an 'höher, schneller, weiter' und da ist ihnen wohl jedes Mittel recht, selbst wenn es Wahrheiten verrückt und manch einer böse Federn lassen muss. Sorry, aber aufregen kann ich mich darüber nicht mehr, denn sonst würde ich aus dem Aufregen gar nicht mehr herauskommen. Ich kann Medien meiden und tue es, Dir bei deinem Beruf wahrscheinlich leider nicht möglich - schade drum.

♥-liche Grüße, Lill

Unknown hat gesagt…

Das wirklich Arge ist doch, dass die meisten Menschen nicht mal merken, wie sie verarscht und belogen (ja, ich nenne es so) werden. Sie erfahren es einfach nicht - von wem auch? Vom Lügner? Und eine andere Quelle gibt es eben leider nicht.