Sonntag, 26. August 2012

Neil Armstrong: Der "erste Mann im Mond" ist tot

Neil Armstrong (1930 - 2012) (© NASA)
Als ich vor ein paar Wochen für einen Vortrag recherchierte, den ich vor Freunden über das US-amerikanische Mondflugprogramm halten wollte, da interessierte mich auch die Frage, wie man eigentlich zum "Ersten Mann im Mond" wird. Das Ergebnis überraschte mich sehr: Neben fachlichen Können spielten vor allem Behörden-Routine, Zufall, Glück, besondere Charaktereigenschaften sowie ein gelindes Misstrauen von Vorgesetzten eine wichtige Rolle. Wären zum Beispiel die Astronauten Elliot See und Charles Bassett nicht 1966 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, hätte es 1967 nicht das Apollo-1-Unglück gegeben, bei dem Gus Grissom, Roger Chaffee und Edward White starben, hätte Michael Collins 1968 keine Rückenprobleme bekommen, wären die Mondlandefähren wie geplant fertiggestellt worden, hatten sich die Mercury-Veteranen Gordon Cooper und Walter Schirra nicht mit dem NASA-Management überworfen, wären alle Testflüge nicht so überaus erfolgreich verlaufen und schlussendlich hätte man die Apollo-10-Mission, die Generalprobe für Apollo 11, mit einer voll betankten Mondlandefähre gestartet und nicht nur mit einer halbvollen, um eine Landung eben wirklich unmöglich zu machen, wer weiß, wie dann der erste Mann im Mond heißen würde. So wurde es Neil Armstrong, der gestern im Alter von 82 Jahren verstorben ist.


Neil Armstrong, Michael Collins und Buzz Aldrin (© NASA)
Damit will ich nun weder sagen, dass Armstrong nicht ausreichend qualifiziert war oder man ihm diesen Triumph nicht gönnen sollte. Im Gegenteil: Abgesehen davon, dass er 1969 nicht so viele Raumflüge wie mehrere andere Astronauten vorweisen konnte, stand er seinen Kollegen in nichts nach. Er galt als einer der besten Testflieger seiner Zeit, und als er sich 1962 für die zweite Astronauten-Gruppe der NASA bewarb, wurde er angenommen, obwohl er seine Bewerbung eigentlich zu spät abgab und außerdem Zivilist war (bis dahin wurden nur aktive Militärangehörige angenommen). Armstrong war bei seinem ersten Raumflug mit Gemini VIII der erste amerikanische Zivilist im All und wurde außerdem auch gleich als Kommandant eingesetzt.

Dass er der erste Mensch auf dem Mond werden würde, stand aber eben noch lange nicht fest. Deke Slayton, Chefastronaut der NASA, hatte dafür eigentlich seinen alten Mercury-Kumpel Gus Grissom im Auge gehabt. Nach dessen Unglück mit Apollo 1 im Januar 1967 wurden alle Pläne über den Haufen geworfen, und nach einer Zeit der Umorientierung gab die NASA ihre neuen Missionspläne bekannt. Hätten die Bestand gehabt, wäre Pete Conrad der erste Mondspaziergänger geworden. Doch diese Pläne änderten sich, als die Mondlandefähre nicht rechtzeitig fertig wurde. Flüge wurden getauscht, Missionsziele anders definiert - und Weihnachten 1968 erfuhr Armstrong in einer geheimen Besprechung, dass sein Flug mit Apollo 11 etwa ein halbes Jahr später zum Mond führen würde, wenn bis dahin nichts entscheidendes passiert. Neil Armstrong wurde innerhalb kürzester von einem normalen Astronauten an die Spitze der NASA-Pläne katapultiert.

Am 16. Juli 1969 starteten Armstrong, Collins und Aldrin mit Apollo 11 zum Mond. Drei Tage später schwenkte das Raumschiff in den Mondorbit ein, kurz darauf stiegen Armstrong und Aldrin aus der Kommandokapsel Columbia in die Mondlandefähre Eagle um und begannen den Abstieg zur Mondoberfläche. Die Mannschaft hatte nur eine Aufgabe: Sicher landen, sicher starten. Wie geplant verlief die Landung ohnehin nicht: Das Landeziel wurde um einige Kilometer verfehlt, ein Computer "verschluckte" sich aufgrund einer fehlerhaften Schaltung - für die die Astronauten nichts konnten - an zu viel Daten und gab Daueralarm, und der automatische Landeanflug führte nach Meinung von Armstrong in ein unsicheres Gebiet, weshalb er die Handsteuerung übernahm und die Landefähre Eagle selbst landete. Das brachte die Missionskontrolle in Houston schier zur Panik, denn Armstrong ließ sich Zeit, Zeit, Zeit... und die Experten auf der Erde sahen jeden Augenblick das Ende des Treibstoffes gekommen. Als dann Armstrong die weltberühmte Meldung machte "The Eagle has landed", lautete die Antwort von der Erde: "Ein paar Jungs hier sind blau angelaufen. Jetzt atmen sie wieder." Die ersten Menschen waren sicher auf dem Mond gelandet.

Armstrong und Aldrin stellen die Fahne auf (© NASA)
Sechs Stunden später stiegen Armstrong und Aldrin auf die Mondoberfläche ab. Armstrong sprach den berühmten Satz "That's one small step for (a) man, one giant leap for mankind!". So klein war sein Schritt aber gar nicht, im Gegenteil, die letzte Leiterstufe musste er herunter springen - er hatte die Eagle so sanft gelandet, dass die Stoßdämpfer nicht herunter federten und die Leiter somit etwa einen Meter über der Mondoberfläche endete. Der weltberühmte Satz ist Armstrong übrigens nicht vorgeschrieben worden, er hatte ihn sich selbst überlegt. Den Beweis dafür, dass die Raumfahrer da freie Hand hatten, lieferte Pete Conrad bei Apollo 12, als er bei seinem Ausstieg für die ganze Welt hörbar meinte: "Das mag ja für Neil ein kleiner Schritt gewesen sein, aber für mich ist es ein großer!" Und wer jetzt noch wissen will, wieso Armstrong und nicht Aldrin als erster die Mondlandefähre verließ - das hatte drei Gründe. Erstens sollte es nach dem Willen der NASA sowieso der Kommandant sein, zweitens hielt man Armstrong für etwas geeigneter, weil sein Ego nicht so groß war (!), und drittens wäre es für Aldrin von seinem Platz in der engen Mondlandefähre aus viel zu schwierig gewesen, sich mit seinem sperrigen Raumanzug an Armstrong und der offenen Luke vorbeizuschlängeln, um als erster auszusteigen. So simpel kann es manchmal sein, ein nationaler Held und eine historische Berühmtheit zu werden, deren Ruhm die Jahrhunderte überdauern wird.

Die Eagle blieb knapp einem Tag auf dem Mond, Neil Armstrong und Buzz Aldrin hielten sich etwa zweieinhalb Stunden außerhalb auf. Viel getan haben sie da eigentlich nicht. Steine gesammelt, ein paar Experimente aufgestellt, die Fortbewegungsarten auf dem Mond getestet und mit Präsident Nixon telefoniert. Mehr sollten sie auch nicht, es ging bei Apollo 11 wirklich in erster Linie nur darum, die Mission sicher abzuschließen. Wie unsicher sich die NASA selber war, zeigt die makabre Anekdote, dass Nixon auch auf den Fall vorbereitet war, wenn die Astronauten nicht mehr vom Mond zurück gekommen wären, mit fertiger Rede und Vorschlägen für eine Zeremonie. Dazu kam es aber nicht: Der Rückstart klappte ebenso perfekt wie die Heimkehr zur Erde, und Aldrin, Collins und vor allem Armstrong waren zu unsterblichen Helden geworden.

Ein Fußabdruck für die Ewigkeit (© NASA)
Es gibt kaum Fotos, die Armstrong auf dem Mond zeigen. Der Grund ist ganz einfach: Die Astronauten hatten einen engen Zeitplan, und nach dem hatte meist Armstrong die Kamera in der Hand (oder besser gesagt vor die Brust montiert), während Aldrin die Aufgabe hatte, die Experimente aufzustellen oder die Fahne im Mondboden zu verankern. Aber seine Spuren hat Armstrong auf jeden Fall hinterlassen. Sein Fußabdruck zum Beispiel, der heute noch genauso auf dem Mond zu sehen sein wird wie vermutlich in tausenden von Jahren. Die UNO hat es soweit ich weiß noch nicht getan, aber für die USA ist der Landeort von Apollo 11 eine nationale Gedenkstätte, der man sich nur auf eine gewisse Entfernung nähern darf. Das Andenken von Neil Armstrong wird auf jeden Fall gewahrt, und auch wenn eine Menge Zufall mitspielte - als erster Mensch auf dem Mond hat er seinen Platz in der Geschichte gefunden.Und er war rückblickend betrachtet ein würdiger "Erster".

Neil Armstrong ist am 25. August 2012 an Komplikationen nach einer Herzoperation verstorben. Der erste Mensch, der einen anderen Himmelskörper betrat, hat diese Welt für immer verlassen. Die Erinnerung an ihn wird jedoch nicht vergehen.

Buzz Aldrin; im Visier spiegelt sich Armstrong. (© NASA)

1 Kommentar:

RoM hat gesagt…

Erstaunlich, daß es nach all den Jahren noch immer beherzte Verschwörungstheoretiker gibt, die all dies für Studioaufnahmen halten.