Donnerstag, 2. August 2012

Ausverkauf

Nasdarowje auf die Vergangenheit. (© Erik Nagel)
Zu Russland oder besser gesagt zur Sowjetunion oder UdSSR, wie das Land mal hieß, bevor es beschloss, dass 70 Jahre Sozialismus genug seien und man ihn so schnell wie möglich abschaffen sollte, habe ich meiner Meinung nach eine besondere Beziehung. Ich war zwei Mal im Land, das erste Mal 1977, also als es noch tief im Kommunismus steckte, und dann noch einmal im Winter 1988 / 1989, als man dort entdeckte, dass Kapitalismus auch gute Seiten hat, aber man noch nicht wusste, welche das sind. Anscheinend hat man das bis heute immer noch nicht so richtig heraus gefunden, sondern experimentiert noch herum...

Zufälligerweise war ich beide Male auch in Sankt Petersburg, als es noch Leningrad gerufen wurde. Ich habe die Erinnerung an eine sehr freundliche und ausgesprochen schöne Stadt. Es war sauber, aufgeräumt, die Metro - also die Untergrundbahn - strotzte nur so von Marmor, Messing und vergoldeten Leuchtern. Man sah nicht einmal einen Kaugummi oder ein Papierfetzchen auf dem Boden liegen (also so, wie Berliner U-Bahnhöfe nur in den ersten zwei Sekunden nach ihrer Eröffnung aussehen). Und überall gab es die Erinnerung an die ruhmreiche Vergangenheit in Form von Denkmälern, Paraden und Straßennamen. Alte Kriegsveteranen präsentierten stolz ihre ordengeschmückte Brust, die oft wie ein bunter Harnisch aussah, so viele Orden hatten sie. Peter der Große stand einträchtig neben Marx, Engels und Lenin. Kurz gesagt, eine prächtige Stadt, so lange man die Hauptstraßen nicht verließ. Abseits der Magistralen sah es oft deutlich trister aus.

Dieser Tage nun hatten meine Eltern Russland besucht. Und das war nun wirklich nicht mehr das Land, das sie einmal kannten. Anstelle von Denkmälern schießen nun überall Kirchen und Kathedralen aus dem Boden (40.000 sollen angeblich seit 1990 erbaut worden sein), und die protzen so sehr mit ihrem Reichtum und ihrem Prunk, dass es nach kurzer Zeit sogar die Katholiken in der Reisegruppe meiner Eltern abstieß. Vor den güldenen Pforten sitzen die vergessenen Alten und Armen und betteln um Almosen. Gorbatschow ist fast so verhasst wie Stalin und Lenin - dessen Mausoleum soll wohl auch demnächst leergeräumt werden - wohingegen Putin und Jelzin schon fast als Heilige verehrt werden (Man kann sie auch als Matroschkas kaufen...). Apropos Heilige: Der letzte Zar, von den Kommunisten erschossen, ist inzwischen heilig gesprochen worden, wie auch seine ganze Familie.

Das GUM, einstmals das größte Kaufhaus Moskaus, wo es alles, wirklich alles gab, ist zu einem Konsumtempel westlicher Ausprägung verkommen, wo nun Gucci, Prada und anderes mehr residieren. Ihre Angebote kann sich der Iwan-Normal-Russe aber nicht im mindesten leisten, sondern nur die Neureichen, die ihre Rubel nur zu gern und schon regelrecht obszön-exhibitionistisch zur Schau stellen. Fast verschwunden sind die zahllosen Imbissstände, wo es früher mit allerlei leckeren Sachen gefüllte Piroggen oder den berühmten Borschtsch gab - dafür findet man nun McDonalds, Pizza Hut und KFC oder Restaurants, die zwar russische Spezialitäten anbieten, wo aber in der Küche ein deutscher, französischer oder italienischer Küchenchef den Kochlöffel schwingt.

Da wundert es nicht, dass Touristen unter anderem solche Andenken wie der oben abgebildete Flachmann angeboten wird. Auf diesen zugegebenermaßen gar nicht so billig hergestellten Flachmann hat man nämlich noch die Kokarde einer sowjetischen Militärmütze und ein Gardeabzeichen der Roten Armee gepappt - letzteres war mal wirklich was wert. So kann man natürlich auch seine Vergangenheit versilbern.

Ich habe mich trotzdem über das Mitbringsel gefreut. Vielleicht fallen die Orden und Ehrenabzeichen ja auch mal ab...

1 Kommentar:

RoM hat gesagt…

Durchaus anheimelnd, wie sich der obere Klerus wieder an die Tröge der Macht wirft. Frei nach dem Motto "Lang lebe der Zar!". Der Rückkehr ins Mittelalter nicht abgeneigt.
Die bakannten Mechanismen eben...