Freitag, 8. Juli 2011

Wenn Dämlichkeit weh tun würde...

Man kann sich ja wirklich lang und ergiebig über die gewählten Volksvertreter und ihre Arbeit streiten, aber was sich die Bundestagsabgeordneten gestern geleistet haben, verdient das Label "Schwachsinn des Jahres". Witzigerweise geschah dieser Schwachsinn in derselben Sitzung, in der dieselben Abgeordneten ein Paradebeispiel dafür ablieferten, wie es richtig gemacht wird, nämlich bei der Diskussion um das PID-Gesetz, wohl eine der besten Diskussionen, die der Reichstag je gesehen hat. Beim CCS-Gesetz lieferten unsere Parlamentarier dann aber eine so schwache Leistung ab, dass sie für diesen Teil der Sitzung kein Geld erhalten sollten.

Bei CCS (Carbon Capture and Storage - wieso muss nun eigentlich auch der Bundestag mit "Denglisch" anfangen?) geht es darum, dass Kohlendioxyd, dass bei der Strom- und Energieherstellung aus Kohle und Gas anfällt, aus der Abluft herausgelöst und anschließend unterirdisch in geeigneten Lagerstätten verpresst wird, anstatt in die Atmosphäre geblasen zu werden. Eine Pilotanlage läuft dazu schon eine ganze Zeit im havelländischen Ketzin, die Ergebnisse sind bis jetzt ermutigend. Bemerkenswert ist auch, dass dieses Pilotprojekt - übrigens nicht von einem Energiekonzern, sondern vom Geoforschungszentrum in Potsdam geleitet - recht unaufgeregt abläuft. Woanders regt sich aber Widerstand, unter anderem auch dort, wo laut einer - übrigens recht geschickt - von Greenpeace an die Öffentlichkeit gezerrten Studie aus geologischer Sicht eine Verpressung möglich wäre (ohne dass die Studie damit aussagt, dass es dort dann auch wirklich geht bzw. gemacht wird; es ging nur um eine Auflistung von geeigneten Gesteinsschichten).

Und nun beschließt der Bundestag das CCS-Gesetz, nachdem die Verpressung möglich ist und gemacht werden kann. Ich halte das eigentlich für ganz vernünftig: Immerhin hat das Pilotprojekt in Ketzin bis jetzt gezeigt, dass es möglich ist. Was die Gefahren angeht, die in den vielen Orten propagiert und gefürchtet werden, soll das Projekt ja gerade zeigen, welche das sein können. Und schließlich hat Mutter Natur seit Jahrmilliarden CO2-Verpressung und ähnliche Prozesse angewandt (aus was bitte schön bestehen denn schließlich Kalksteingebirge?). Das CCS-Gesetz, das nun beschlossen wurde, macht also den Weg frei, den "Klimakiller" (ich liebe dieses BILD-Schlagwort, dass sich die unbedarften Mode-Umweltschützer so bereitwillig angeeignet haben - vor allem, wo damit doch jeder von uns auch ein "Klimakiller" ist) CO2 befristet oder auch unbefristet von der Atmosphäre fern zu halten. Immerhin benötigen wir noch eine Weile Kohle- oder Gaskraftwerke, ehe wir es endlich geschafft haben, nur noch von Luft und Liebe... äh, Wind und Sonne zu leben oder genauer gesagt unseren Strom zu beziehen (oder vielleicht kommt er bald ja auch von tschechischen Kohle- und französischen Atomkraftwerken, aber das ist ja dann ein PAL - Problem anderer Leute). Also eine durchaus weitsichtige und richtige Entscheidung der Bundestagsabgeordneten. Wenn nicht...

Ja, wenn sie nicht eine Länderausstiegsklausel eingearbeitet hätten. Nach der liegt die endgültige Entscheidung über tatsächlich genehmigte Verpressungsgebiete und -anlagen bei den Ländern. Und diese Klausel macht das Gesetz völlig und absolut überflüssig! Wirklich nutzbringende Speicherstätten gibt es nämlich wohl nur in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg! Und während erstere bereits andeuteten, der Verpressung in ihren Ländern nicht zustimmen zu wollen, steht Brandenburg der Verpressung zwar durchaus positiv gegenüber - immerhin basiert die Energiestrategie des Landes stark auf Braunkohle, und das CO2 aus diesen Kraftwerken muss ja irgendwo hin -, hat aber auch deutlich gemacht, keinem Alleingang zuzustimmen. Soll heißen: Wenn Brandenburg als einzige Speicherstätte für CO2 bundesweit übrig bleiben würde, weil alle anderen "Bei uns nicht!" sagen, dann macht auch Brandenburg nicht mit. Durchaus verständlich, wenn hier gesagt wird: Wir tragen doch nicht die Last von allen anderen allein.

Pikant: Diese Einstellungen sind nicht neu, sondern waren schon lange in den Diskussionen um CCS bekannt. Das bedeutet also nichts anderes, als dass der Bundestag ein Gesetz beschlossen hat, dass überhaupt nicht durchgesetzt wird, ja nicht durchgesetzt werden kann, weil die, die es betrifft, schon lange sagen: "Wenn wir Nein sagen dürfen, dann sagen wir auch Nein!" Die Abgeordneten haben sich also für nichts und wieder nichts damit beschäftigt!

Und eine solche Vergeudung von Steuergeld und Zeit, die ist nicht nur dämlich, sondern schon beinahe strafbar.

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