Mittwoch, 8. Mai 2013

Der Meister der "Stop Motion" Ray Harryhausen ist tot

Ray Harryhausen (1920 - 2013)
Ich habe in einem Post schon einmal, wenn auch aus einem anderen Anlass, über das kleine Dorfkino meiner Kindheit geschrieben. Es war damals ein Ritual: Fast jede Woche gingen wir dorthin, um einen Film zu sehen. Bud-Spencer-und-Terence-Hill-Prügeleien, Western, Jugendfilme und vieles andere mehr flimmerte dort über die Leinwand, aber am meisten erinnere ich mich an die Fantasy-Filme "Kampf der Titanen" (um den es auch in dem anderen Post ging), "Sindbads siebente Reise" und "Sindbads gefährliche Abenteuer". Rückblickend betrachtet muss das die Initialzündung gewesen sein: Seitdem liebe ich dieses Genre. Interessanterweise stammen diese drei Filme, die mich damals schon so faszinierten und die auch heute immer noch zu meinen Lieblingsfilmen gehören, von Ray Harryhausen, dem großen Trick-Guru. Seine Monster und Ungeheuer, seine Drachen, Zyklopen, Zentauren und Saurier gehören für mich nach wie vor zum schönsten und fantastischsten, was das Genre des fantastischen Films hervorgebracht haben. Am 7. Mai 2013 ist dieser großartige und fantasievolle Filmemacher im Alter von 92 Jahren verstorben.

Auch Ray Harryhausen hatte eine Initialzündung, die ihn für immer verdarb. Seine hieß "King Kong". Der junge Harryhausen kam als 13-Jähriger aus dem Kino und wollte wissen, wie das gemacht wird. Schon bald stellte er selbst erste Filmversuche an und hatte das Glück, mit Willis O'Brien, dem tricktechnischen Schöpfer von King Kong, zusammen zu treffen. Er nahm dessen Ratschlag an, Unterricht in Kunst zu nehmen, was später zu den überaus realistischen Modellen führte, für die Harryhausen bekannt wurde. Schließlich gelang ihm der Einstieg ins Filmgeschäft, und 1947 arbeitete er sogar mit seinem Vorbild O'Brien an "Mighty Joe Young" zusammen.

"Sindbads siebente Reise"
Doch Harryhausen übertraf diesen schon bald. Seine Innovationen in der Filmtechnik, seine überaus akkurate Arbeitsweise und seine Fantasie im Umgang mit den Monstern ließen ihn zu einem der berühmtesten Special-Effects-Magier seiner Zeit werden. Vor allem in der Stop-Motion-Technik, gemeinhin Puppentrick genannt, brachte er es zu ungeahnter Meisterschaft. Offiziell zählten seine Filme zum Genre des B-Movie, aber wie sagte er selber einmal so schön? "Wir haben viele der A-Filme überlebt, die zur gleichen Zeit gemacht wurden."

Ray Harryhausen mit seinen "Kindern"
Woran mag das liegen? Für mich in erster Linie daran, dass seine Filme, seine Monster, seine Creatures eine Seele hatten, die man erkennen kann. Die Spezialeffekte waren in seinen Filmen zentrales Element, aber nie Mittel zum Zweck, eine Arbeitsweise, die Harryhausen-Freund und Filmhistoriker Rolf Giesen einmal am Beispiel des ILM-Trickveteranen Dennis Muren so erklärte: Muren sei ein Techniker, aber Harryhausen ein Künstler. Interessanterweise zählte Muren selbst Harryhausen zu seinen Vorbildern, wie es auch George Lucas oder Peter Jackson taten. Natürlich sind deren Trickarbeiten heute technisch ungleich perfekter, überzeugender, "echter" als Harryhausen rucklige Filme. Und doch: ein Ray Harryhausen-Film hat für mich immer seinen ganz besonderen Charme.

Ich erinnere mich noch gut an den Zweikampf eines Zyklopen mit einem Drachen in "Sindbads siebte Reise". Ich habe deutlich vor Augen, wie sich ein Säbelzahntiger mit einem Urmenschen in "Sindbad und das Auge des Tigers" balgt. Ich habe eine Medusa mit wild wogendem Schlangenhaar aus "Kampf der Titanen" genau so im Sinn wie den Kampf von Menschen gegen gigantische Skorpione im gleichen Film. Ich sehe vor mir eine orientalische Gallionsfigur in "Sindbads gefährliche Abenteuer" auf einem Schiff randalieren; etwas später kämpft der Titelheld gegen eine sechsarmige Götterfigur. Das sind Bilder, die einen Jungen in einem kleinen Dorfkino schon schwer beeindrucken können. Bei mir blieb die Begeisterung bis heute bestehen. Und ich erinnere mich an eine Szene: einen Schwertkampf in "Jason und die Argonauten".

Der unsterbliche Klassiker:  "Jason und die Argonauten"
Das hört sich so nicht besonders spannend an. Allerdings war es ein Schwertkampf zwischen drei Menschen und sieben von Harryhausen in Handarbeit animierten Skeletten! Das wird heutzutage in ein paar Stunden von Computern ausgerotzt und auf Festplatten durchgespielt, während die Techniker zwischendurch für ein paar Stunden beim Rendern einen Kaffee trinken gehen. 1963 hatte sich Ray Harryhausen vier Monate nur für diese Sequenz in sein Studio eingeschlossen und Bild für Bild einzeln ausgearbeitet. An manchen Tagen schaffte er nur 13 Bilder - ungefähr eine halbe Sekunde Film. Das Ergebnis: Die vielleicht beste, aufwändigste und anspruchsvollste Special-Effect-Sequenz, die jemals geschaffen wurde. Und Harryhausen hat das alles in der Regel allein gemacht. Dazu gehört unglaublich viel Hingabe und Leidenschaft - und das hatte Harryhausen.  Zugleich aber waren seine Filme nie einfach nur Special-Effect-Filme - es waren immer Abenteuerfilme...

"Sindbads gefährliche Abenteuer"
In Zeiten von Blue-Screens, Motion Capturing, CGI, Digital Composing und dergleichen mehr ist Harryhausens Arbeitstechnik natürlich antiquiert. Nur noch Nostalgiker arbeiten heute so - oder um, nun ja, Harryhausen zu würdigen. Tim Burton zum Beispiel, in Filmen wie "Nightmare before Christmas" oder "Corpse Bride" (in letzterem gibt es ein Klavier der Marke "Harryhausen"). Harryhausen selbst hatte sich Ende der 80er Jahre zur Ruhe gesetzt - er hatte keine Lust mehr, sich monatelang in ein Studio einzuschließen, und die moderne Filmlandschaft sagte ihm auch nicht mehr so zu. Die wiederum hat seine Wert - abgesehen von den Kollegen seiner Zunft - auch viel zu spät erkannt. Seinen ersten und einzigen Oscar erhielt er erst 1992 - für seinen Beitrag zur Filmtechnik.

Seine Filme werden mir immer in Erinnerung bleiben. Und daran können auch Remakes wie zum Beispiel bei "Kampf der Titanen" nichts ändern. Egal wie technisch perfekt diese Filme auch sind, Harryhausens Schöpfungen werden für mich immer mehr Charakter und Seele haben. Und aus diesem Grunde werde ich sie mir immer wieder gerne ansehen.

Der Meister bei der Arbeit zu "Kampf der Titannen"

2 Kommentare:

RoM hat gesagt…

Rays Todestag fand auch in diversen Meldungen/Beiträgen des Kulturradios seinen Wiederhall. Sehr angemessen, denn Harryhausens 'Jason' war auch meine erste Begegnung mit den Möglichkeiten des realen Tricks. So betrachtet sind die Skelette eigentlich die erste "Massenszene" im Bereich.

Wenn ich bedenke, daß selbst der Bodenangriff des Imperiums auf Hoth noch in seiner Handtechnik inszeniert wurde...

Präsent ist diese Art von Animationsfilm nach wie vor. Die Reihe um Wallace & Gromit oder ein phantastisches Werk wie 'Coraline'.
Mit 'Mary & Max' wird Morgen (20 Uhr 15) ein weiteres aktuelles Glanzstück im TV gezeigt. Burton ist also in guter Gesellschaft.

Die notorische Blindheit der Academy-Jury dürfte bald legendär sein. :-)

Kleiner Tippfehler. Mit 13 Einzelbildern hatte Ray eine halbe Sekunde Filmmaterial im Kasten.

Dein spontanes in memoriam hat mich gefreut!

Unknown hat gesagt…

Du hast natürlich Recht. Halbe Sekunde... Ich war so frei, es zu verbessern...