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Richard Attenborough (1923 - 2014) |
Es gab einmal eine Zeit, da konnten Regisseure sich nicht einfach an einen Computer setzen, um Massenszenen mit Tausenden von Figuren digital zu klonen. Sie hatten entweder die Wahl, mit cleveren Film-Schnitten aus wenigen Personen beim Dreh auf der Leinwand Armeen zu tricksen, oder sie mussten eben ganze Armeen an Statisten dirigieren. "Monumentalfilme" hieß das mal und war in den 50er und 60er Jahren in - CGI-Heere gab's eben einfach noch nicht. Nach und nach - eben auch des Aufwands wegen - ließ das nach, und irgendwann schien niemand mehr Interesse daran zu haben, tausende und aber tausende Schauspieler und Statisten für einen Film aufmarschieren zu lassen. Praktisch der letzte, der das noch tat - und vor allem konnte, wie er zweimal mehr als eindrucksvoll bewies - war Richard Attenborough, der am 24. August 2014 im Alter von 90 Jahren starb.
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Mit Steve McQueen bei "Gesprengte Ketten". |
Attenborough gehörte zu der Kategorie Regisseure, die ihre Karriere als Schauspieler begannen und dann hinter die Kamera wechselten. Im Gegensatz zu vielen Kollegen mit dem gleichen Lebenslauf tat er aber beides sehr erfolgreich. Ich persönlich habe ihn immer eher als Regisseur wahrgenommen, obwohl er als Schauspieler in zweien meiner Lieblingsfilme mitwirkte: "Gesprengte Ketten" und "Jurassic Park". Er war zweifellos ein sehr guter Schauspieler - wer's nicht glaubt, braucht sich nur einmal "John Christie" anschauen. Aber speziell in den beiden anderen genannten Filmen fiel er mir nicht besonders auf bzw. er hinterließ keinen prägenden Eindruck. Kein Wunder: In einem stand er neben Steve McQueen, James Garner, Charles Bronson, James Coburn und anderen Superstars vor der Kamera, in dem anderen mit Dinosauriern. Kein guter Ansatz, um mit mimischen Glanzleistungen zu punkten.
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Am Set von "Die Brücke von Arnheim". |
Aber als Regisseur, da fand er sein eigentliches Gebiet, für das ich ihn auch bewunderte. Seinen ersten Film drehte er bereits 1969 ("Oh, what al lovely war"), drei Jahre verfilmte er die Lebensgeschichte von Winston Churchill. 1977 folgte dann der Film, den man theoretisch als Meisterstück ansehen könnte: "Die Brücke von Arnheim". Die Verfilmung der größten Luftlandeoperation im 2. Weltkrieg "Market Garden" verdiente eine ähnlich monumentale Umsetzung - und so dirigierte Attenborough schließlich nicht nur ein stargespicktes Ensemble von Schauspielern und Drehstableuten, die zusammen 14 Oscars aufweisen konnten, sondern eben auch zum ersten Mal tausende Statisten. 35.000 Soldaten sprangen 1944 mit dem Fallschirm hinter deutschen Linien ab - Attenborough hatte nur 1.000 Fallschirmspringer, aber auch die müssen erst einmal für einen Film zusammen getrommelt und vor allem auch abgelichtet werden, von den anderen ganz zu schweigen.
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Mit zwei Goldjungs für "Gandhi" |
Es hätte also das Meisterwerk sein können, wenn Richard Attenborough nicht 1982 noch einen drauf gesetzt hätte. Mit "Gandhi" schuf er nicht nur ein mehrfach Oscar-prämiertes Filmepos und startete die Fimkarriere von Ben Kingsley richtig durch, er bannte zudem die größte Massenszene der Filmgeschichte auf Zelluloid. 95.000 Komparsen wurden dafür engagiert, mehr als 200.000 Freiwillige kamen noch dazu, um Gandhis Beerdigung nachzuspielen - Attenborough brachte also gut 300.000 Menschen auf einmal für einen Film zusammen! (Die große Schlachtszene in "Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs" hat nur 200.000 Teilnehmer, und die entstammen alle dem Computer...) Allein diese Szene macht mich jedes Mal beim Anschauen atemlos... Den Film darauf zu reduzieren, wäre jedoch verkehrt. "Gandhi" ist ein wunderbares Epos, hervorragend inszeniert, meisterhaft gespielt und zu Recht mit insgesamt acht Oscars geehrt.
Ja, als Regisseur hat Richard Attenborough alles gekonnt: Kriegsfilme, Musicals ("A Chorus Line"), Biografien ("Chaplin"), Liebesdramen ("In Love and War"), Horrorfilme. Er war ein Gentleman, der niemals die Filmförderung um einen Penny anbettelte, sondern alle seine Filme irgendwie selbst finanzierte (für "Gandhi" vekaufte er seine Rechte am erfolgreichen Theaterstück "Die Mausefalle" von Agatha Christie; sein letztes Lieblingsprojekt, eine Verfilmung der Biografie von Thomas Paine, versuchte sich 2008 an einer Art Crowdfunding, was aber scheiterte). Er nannte Margaret Thatcher "Darling", was aber nicht unbedingt als Kompliment gemeint war, und pries 1983, als er den Oscar für "Gandhi" bekam, "E.T." als den besseren Film (angeblich bekam er deswegen von Steven Spielberg die Rolle in "Jurassic Park"). Und er war seit 1945 mit seiner Frau Sheila Sim verheiratet, die er eben im Theater ("Die Mausefalle") kennen gelernt hatte - auch das hat was Monumentales. Er starb am Sonntag, fünf Tage vor seinem 91. Geburtstag.
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Richard Attenborough. |
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